Jeckes. Die deutschsprachigen Juden in Israel - Aviva - Berlin Online Magazin und Informationsportal für Frauen aviva-berlin.de Juedisches Leben



AVIVA-BERLIN.de 3/15/5785 - Beitrag vom 05.09.2008


Jeckes. Die deutschsprachigen Juden in Israel
Annegret Oehme

Eine Ausstellung im Centrum Judaicum widmet sich vom 14.09. bis zum 31.12. 2008 anlässlich des 60. Jahrestages des Staates Israel 2008 den deutschsprachigen ImmigrantInnen in Israel.




Wesentlichen Anteil am Aufbau des Staates Israel zu einer modernen Demokratie hatten die Jeckes, die deutschsprachigen Einwanderer, die in den Jahren 1933 bis 1939 als Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina kamen. Viele von ihnen kamen nicht aus zionistischer Überzeugung, im Gegenteil, "sie kamen aus Deutschland", wie manche damals über diese Neueinwanderer spotteten. Sie hatten bürgerliche Berufe, waren ÄrztInnen, LehrerInnen, BeamtInnen, RechtsanwältInnen und ArchitektInnen. Nun mussten sie neu anfangen, konnten oft nicht in ihren gelernten Berufen weiterarbeiten, um den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien zu verdienen. Aber sie brachten ihre Erfahrungen, ihre Bildung und die Kultur der Weimarer Republik nach Eretz Israel und legten damit gemeinsam mit vielen anderen den Grundstein für einen jüdischen Staat: in Wirtschaft und öffentlicher Verwaltung, im Rechtswesen, in der Architektur, in der Medizin und in der Kunst.

Es war das Lebenswerk von Israel Shiloni, der 1901 in Berlin als Hans-Herbert Hammerstein geboren wurde, in Nahariya ein Museum der Jeckes zu gründen und aufzubauen. Bis heute widmet es sich diesem besonderen Erbe, denn tatsächlich haben gerade die Einwanderer aus Deutschland in vielen Bereichen den modernen jüdischen Staat erst möglich gemacht und aktiv gestaltet. Bildung und wirtschaftlicher Erfolg standen dabei stets im Mittelpunkt, wie auch bei Stef Wertheimer, der als Jugendlicher aus Süddeutschland ins Land kam, und heute einer der erfolgreichsten Industriellen (Iscar) in Israel ist. Er war es auch, der dem Museum der Jeckes im Tefen Industrialpark im Norden Israels eine Heimstatt gab.

Die Ausstellung in Berlin, die als Wanderausstellung in deutscher Sprache konzipiert ist, zeigt auf 29 Tafeln, welche Bereiche der israelischen Gesellschaft vornehmlich von JüdInnen aus Mitteleuropa geprägt wurden. Dies ist vor allem sichtbar in den Bereichen Industrie und Wirtschaft, wo Unternehmen wie Iscar, Teva (Pharmazeutik) und Strauss (Nahrungsmittel) Weltrang haben. Auch das israelische Bildungssystem, bestehend aus Grundschule und Gymnasium, ist mit dem Deutschen ebenso vergleichbar wie das Universitätsstudium. Mehr als alle hier versammelten Elemente ist es aber vor allem der weltoffene, europäische Charakter der israelischen Städte, an dem bis heute der Einfluss der Einwanderer aus Mitteleuropa zu spüren ist.

Die Ausstellungsräume der Jeckes-Ausstellung befinden sich auf der ehemaligen Frauenempore der Neuen Synagoge. Der Raum wird zur Freifläche hin, dem ehemaligen Synagogenraum, von einer transparenten Wand mit den Namen der über 55.000 ermordeten Berliner Juden und Jüdinnen begrenzt. Damit korrespondierend wird die Arbeit der israelischen Künstlerin und Documenta-Preisträgerin Penny Yassour "Screens" gezeigt: auf zwei Kautschukplatten ist das Schienennetz der Deutschen Reichsbahn von 1938 eingeprägt. Damit wird sowohl der historische wie geographische Ausgangspunkt für die Auswanderung der JüdInnen aus Deutschland nach Eretz Israel visualisiert.

Die Ausstellung in deutscher Sprache wurde gefördert durch die Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", durch die Jüdischen Kulturtage der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, durch die Daimler AG, den Zentralrat der Juden in Deutschland, Artur und Maria Brauner (Berlin) und Roe Jasen (New York).

Im Rahmen der Jeckes-Ausstellung präsentiert die Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum erstmalig auch Arbeiten des 1903 in Berlin geborenen und nach Eretz Israel ausgewanderten Künstlers Rudi Lehmann, der als Lehrer eine ganze Generation von israelischen BildhauerInnen geprägt hat, darunter Igael Tumarkin und Menashe Kadishman. Im Begleitband "KunstpionierInnen in Eretz Israel. Die Geschichte des Bildhauers Rudi Lehmann und der Keramikerin Hedwig Grossmann", erschienen im Verlag Berlin-Brandenburg, zeichnet Helga Keller nicht nur die Lebensgeschichte beider KünstlerInnen anhand von autobiographischen Zeugnissen, Briefen und nachgelassener Schriften nach, sondern veranschaulicht auch die Geschichte der deutschsprachigen Einwanderer in den ersten Jahrzehnten nach der Gründung des Staates Israel.


Jeckes. Die Deutschsprachigen Juden in Israel
14. September bis 31. Dezember 2008

Veranstaltungsort:
Stiftung Neue Synagoge Berlin - Centrum Judaicum
Oranienburger Straße 28/30
10117 Berlin
www.cjudaicum.de

Öffnungszeiten:
Sonntag und Montag: 10.00 – 20.00 Uhr (ab November bis 18.00 Uhr)
Dienstag bis Donnerstag: 10.00 – 18.00 Uhr
Freitag : 10.00 – 17.00 Uhr (ab Oktober bis 14.00 Uhr)

Besondere Öffnungszeiten:
29.09. 2008: 10.00 – 18.00 Uhr
30.09. 2008: geschlossen
08.10.2008: 10.00 – 14.00 Uhr
09.10.2008: geschlossen

Begleitbuch:
Helga Keller
Kunstpioniere in Eretz Israel. Die Geschichte des Bildhauers Rudi Lehmann und der Keramikerin Hedwig Grossmann

Verlag für Berlin-Brandenburg, erschienen September 2008
ISBN 978-3-86650-322-9
22, 95 Euro

Weiterlesen auf AVIVA-Berlin:
Der Jüdische Almanach – "die Jeckes"
22. Jüdische Kulturtage - Vergangenheit. Gegenwart. Zukunft.



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Beitrag vom 05.09.2008

AVIVA-Redaktion